Zahnarztphobie verstehen und überwinden: EMDR als wirkungsvolle Hilfe bei Ängsten

Die Angst vor dem Zahnarzt

Viele Menschen vermeiden den Zahnarzt über Jahre – nicht aus Nachlässigkeit, sondern aus Angst. Was umgangssprachlich oft als „Zahnarztangst“ bezeichnet wird, ist in vielen Fällen eine ernstzunehmende Form der spezifischen Phobie. Sie betrifft nicht nur Kinder, sondern zieht sich durch alle Altersgruppen – mit weitreichenden Folgen für die körperliche und seelische Gesundheit.

Als zertifizierter EMDR-Coach (Eye Movement Desensitization and Reprocessing), Mitglied im Parnell Institute und erfahrener Trainer für emotionale Selbstregulation (u. a. Search Inside Yourself), begleite ich Menschen, die genau diese Angst durchbrechen möchten – nicht mit Konfrontation, sondern mit Sorgfalt, Präsenz und professioneller Unterstützung.

Warum Zahnarztangst mehr ist als „nur ein ungutes Gefühl“

Sie berührt Erlebnisse von Kontrollverlust, Hilflosigkeit oder sogar traumatischer Grenzverletzung. Sie ist damit stellvertretend für viele Ängste in unserem Leben – doch beim Zahnarzt wird sie besonders sichtbar: Wir müssen zur Untersuchung, die Untersuchung findet in einem intimen Bereich statt und ich bin dem Behandler oder der Behandlerin “ausgeliefert” – ich liege tief in einem Stuhl und kann mich auch nicht richtig mitteilen. Zudem kommen schmerzhafte Behandlungen mit lauten Geräuschen, die mitten in unserem Kopf geschehen.

Diese spezifische Konstellation aus Nähe, dem Gefühl des Ausgeliefertsein, fehlender Kommunikationsmöglichkeit und innerer Alarmbereitschaft aktiviert unser Nervensystem auf tiefgreifende Weise. Die Folge sind typische Symptome - hier im Folgenden kurz dargestellt.

Typische Symptome der Zahnarztphobie – wissenschaftlich eingeordnet

1. Intensive Angst bereits beim Gedanken an eine zahnärztliche Behandlung
Viele Betroffene berichten von erhöhter Anspannung oder Panikattacken allein beim Gedanken an einen bevorstehenden Zahnarztbesuch. Studien wie die von Armfield (2010) belegen, dass dies eng mit kognitiven Bewertungen verknüpft ist: Die Vorstellung, einer Situation hilflos ausgeliefert zu sein, aktiviert Angstmechanismen bereits im Vorfeld.

In einer groß angelegten Untersuchung der Universität Münster (DGZMK, 2021) wurde gezeigt, dass rund 60–70 % der Patienten mit ausgeprägter Zahnarztphobie bereits Tage vor einem Termin psychosomatische Beschwerden entwickeln – obwohl keine akute körperliche Ursache vorliegt.

2. Körperliche Stressreaktionen: Herzrasen, Zittern, Schwitzen, Würgereiz
Diese Symptome lassen sich neurobiologisch erklären: Der Sympathikus, Teil des autonomen Nervensystems, bereitet den Körper auf „Kampf oder Flucht“ vor. Der Mund- und Rachenraum ist dabei besonders sensibel – Studien von De Jongh et al. (1995) zeigen, dass Würgereiz und Atemnot bei Betroffenen überdurchschnittlich häufig auftreten, oft verstärkt durch das Gefühl, sich nicht mitteilen oder entziehen zu können.

Die EMDR-Forschung legt nahe, dass sich diese somatischen Reaktionen reduzieren lassen, wenn zugrundeliegende emotionale Verknüpfungen (z. B. mit früheren Erfahrungen beim Zahnarzt) durch gezielte bilaterale Stimulation verarbeitet werden.

3. Aufschieben oder Vermeidung notwendiger zahnärztlicher Eingriffe – oft über Jahre hinweg
Laut der aktuellen S3-Leitlinie zur „Zahnbehandlungsangst beim Erwachsenen“ (DGZMK, 2021) vermeiden bis zu 20 % der Bevölkerung den Zahnarzt so lange, bis Schmerzen nicht mehr zu ertragen sind. Dies führt nicht nur zu einem schlechteren Zahnstatus, sondern kann systemische Folgen für den gesamten Organismus haben.

Die niederländische Langzeitstudie von De Jongh et al. (2008) zeigt zudem, dass dieses Verhalten häufig zu einer „Vermeidungsspirale“ führt: Je länger ein Zahnarztbesuch ausbleibt, desto größer wird die Hürde – sowohl psychisch als auch realmedizinisch.

4. Scham über den Zustand der Zähne – als Verstärker des Rückzugsverhaltens
Die Angst, beim Zahnarzt „verurteilt“ oder beschämt zu werden, ist ein wesentliches Merkmal vieler Betroffener. Laut Armfield (2010) verstärkt diese Angst vor negativer Bewertung das Vermeidungsverhalten – bis hin zur sozialen Isolation.

In qualitativen Interviews (u. a. Muris et al., 1998) berichten viele Patient:innen, dass sie sich weniger als „wertvoll“ erleben, wenn sie ihre Mundgesundheit als mangelhaft empfinden. Die Folge: Rückzug, Unsicherheit – und ein Teufelskreis aus Vermeidung und zunehmender innerer Belastung.

5. Geringes Selbstvertrauen und das Gefühl, „versagt zu haben“
Häufig empfinden Betroffene nicht nur Scham, sondern auch Schuld. Aussagen wie „Ich hätte längst gehen sollen“ oder „Ich habe die Kontrolle verloren“ sind Ausdruck eines geringen Selbstwerts – verstärkt durch gesellschaftliche Bilder von Disziplin, Kontrolle und Selbstoptimierung.

Die kognitive Vulnerabilitätsforschung zeigt, dass hier die Selbstwirksamkeitserwartung (Bandura, 1977; Armfield, 2010) eine zentrale Rolle spielt:

Wer glaubt, einer Situation nicht gewachsen zu sein, meidet sie – unabhängig von der realen Bedrohung.
— Armfield, 2010

Zahnarztphobie ist damit keine Bagatelle

Sie sind ein ernstzunehmendes psychophysiologisches Muster, das sowohl den Körper als auch das Selbstbild belastet – und gleichzeitig einen Zugang bietet, um tiefere Schutzreaktionen des Nervensystems achtsam zu verstehen und zu wandeln.

Die S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) stuft Zahnarztangst als klinisch relevantes Störungsbild ein und empfiehlt spezifische psychologische Interventionen – darunter kognitive Verhaltenstherapie und zunehmend auch EMDR.

Was sagt die Forschung? Ein Überblick über aktuelle Studien

1. EMDR als evidenzbasierte Kurzzeitintervention

Eine der ersten internationalen Studien zur Wirksamkeit von EMDR bei Zahnarztphobie stammt von De Jongh et al. (1995, Niederlande).
Sie zeigt: Bereits nach wenigen Sitzungen konnten Patient:innen eine signifikante Reduktion ihrer Angst erleben. Selbst nach Monaten war der Effekt stabil.

2. Armfields Modell der kognitiven Vulnerabilität (2010)
Der australische Psychologe James M. Armfield entwickelte ein vielbeachtetes Modell, das erklärt, warum manche Menschen besonders anfällig für Zahnarztangst sind. Drei Faktoren sind dabei entscheidend:

  • Kontrollverlust (das Gefühl, ausgeliefert zu sein)

  • Negative Bewertung (katastrophisierende Gedanken, z. B. „Ich halte das nicht aus“)

  • Geringe Selbstwirksamkeit (die Überzeugung, der Situation nicht gewachsen zu sein)

EMDR setzt genau hier an: Es hilft, diese verzerrten Bewertungen auf neuronaler Ebene zu verarbeiten und emotional zu entkoppeln.

3. Studien aus Münster und international
Neuere Forschungsprojekte, etwa an der Universität Münster oder von Muris et al. zeigen, dass gerade bei Kindern und Jugendlichen EMDR in Kombination mit Imaginationsarbeit zu einer deutlichen Verbesserung führt. Es wird zudem darauf hingewiesen, dass frühkindliche Erfahrungen mit elterlichen Ängsten oft unbewusst weitergegeben werden – eine Dynamik, die sich im Erwachsenenalter fortsetzen kann.

EMDR bei Zahnarztangst: Was genau passiert?

EMDR ist ursprünglich eine psychotraumatologische Methode, die mittlerweile in vielen Kontexten Anwendung findet – darunter auch bei Phobien. In der Anwendung bei Zahnarztangst bedeutet das:

  • Wir identifizieren eine belastende Erinnerung oder Vorstellung (z. B. ein früher Eingriff, Würgereiz, Kontrollverlust)

  • Diese wird in einem sicheren Setting unter bilateraler Stimulation (z. B. durch „Tapping“) prozessorientiert bearbeitet

  • Durch begleitende Ressourcenarbeit (z. B. mit inneren Schutzbildern oder Imaginationsmethoden nach Redeemann) wird die emotionale Selbstregulation gestärkt

  • Ziel ist nicht „Mut zum Aushalten“, sondern echte emotionale Entlastung

Warum ich EMDR in diesem Kontext anbiete

Ich arbeite seit vielen Jahren mit Führungskräften, Teams und Menschen in Transformationsprozessen. Was viele gemeinsam haben: Ein hohes Maß an äußerer Verantwortung – aber oft auch eine stille, verdrängte Angst im Inneren. Zahnarztangst ist dabei nur ein Symptom eines tiefer liegenden Themas: der Frage, wie wir mit Kontrollverlust und Körpererinnerung umgehen.

EMDR hilft nicht nur dabei, Ängste zu verarbeiten. Es stärkt die Selbstwirksamkeit – auch im Alltag.
Viele meiner Klient:innen berichten, dass sie nicht nur ihre Zahnarztangst verlieren, sondern auch in anderen Lebensbereichen mehr innere Ruhe und Selbstvertrauen erleben.

Offene Sprechstunde mit EMDR-Elementen – im Juni bei Dr. med Eleni Antoniou

Wann: im Juni 2025 und fortlaufend
Wo: Praxis Eleni Antoniou, Lister Kirchweg 67, 30163 Hannover

  • Kurze Einführung zu EMDR & Zahnarztangst

  • Gemeinsame Imaginations- & Stabilisierungseinheit

  • Möglichkeit zur Einzelberatung oder Folgeformaten

Hinweis: Die Teilnahme ist kostenfrei, eine vorherige Anmeldung ist erforderlich.

Anmeldung & Fragen gerne über die Webseite und per Email: https://www.zahnarztlist.de/

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